Eine Boeing 727 ist wohl so ziemlich das Letzte, was man auf einer Waldlichtung vermuten würde. Noch unglaublicher ist allerdings, dass das alte Flugzeug bewohnt ist. Der pensionierte Elektroingenieur Bruce Campbell hat die ausrangierte Maschine umgebaut und in sein Traumhaus verwandelt. Werfen Sie hier mit uns einen Blick in das außergewöhnliche Umbauprojekt in den Wäldern von Oregon ...
Bruce gefiel die Idee, zum Wohnen keine Hypothek aufnehmen zu müssen. Als er jünger war, schwor sich der Amerikaner, sich niemals zu verschulden. Er lebte jahrelang in einem bescheidenen Tiny House auf Rädern, um Geld für eine richtige Immobilie zu sparen.
Die meisten ausgedienten Flugzeuge werden in ihre Einzelteile zerlegt und dann geschreddert. Schätzungen zufolge werden jeden Tag drei Maschinen außer Dienst gestellt und auseinandergebaut. Bruce aber erkannte das Wohnpotenzial, das in einem Flugzeug steckt und gab seiner Maschine eine zweite Chance.
Als bekennender Luftfahrtfan stellte sich Bruce das Flugzeug von innen ohne Sitze und Passagiere vor und ihm wurde klar, wie viel Platz die Maschine bietet. Die Kabine einer 727 misst inklusive des Cockpits etwa 100 Quadratmeter, zudem bieten zwei große Laderäume jede Menge Stauraum. Für den gelernten Elektroingenieur war es ein Kinderspiel, das Flugzeug in ein Zuhause zu verwandeln!
Der Transport der Boeing hatte allerdings seine Tücken. Bruce ließ das Flugzeug die Straßen entlang zu seinem aktuellen Standort in den Wäldern von Portland schleppen. Das war gar nicht so einfach, da zunächst die Tragflächen und das Heck entfernt und später wieder angebracht werden mussten.
Flugzeuge haben eine sehr lange Lebensdauer, weshalb sie sich auch wunderbar zum Wohnen eignen. Bruce liebt sein ungewöhnliches Zuhause: „Es ist ein großartiges Spielzeug. Es gibt Falltüren und -böden, Klappen hier, Riegel dort und überall clevere Spielereien... Ständig hat man etwas Neues zu erkunden, das immer unterhaltsam ist und einem alten Technik-Nerd wie mir Freude bereitet.“
Für Bruce fühlt sich das Wohnen in einer 727 ganz normal an. Die Maschine bietet alles, was er zum Leben braucht. Die Boeing hat einen Elektronikschacht, einen Wassertank und eine Klimaanlage. Da sich die Kabine luftdicht verschließen lässt, bleibt sie das ganze Jahr über sauber, warm und insektenfrei.
Tatsächlich muss nur wenig verändert werden, um in einem Flugzeug wohnen zu können – was Bruce gerne weitergibt. Da es in einer Passagiermaschine bereits Leitungen für Wasser und Abwasser gibt, müssen diese einfach nur angeschlossen werden. Die Rohre können unverändert bleiben, außer die für die Toilette, damit richtig gespült werden kann.
Um Wäsche waschen und heiß duschen zu können, baute Bruce Wasserleitungen und -rohre aus Polyethylen ein. Diese sind mit einem Wassererhitzer und einem Mehrzweckspülbecken verbunden – was das Wohnen wesentlich komfortabler macht.
Die Abwasserrohre sind auch mit der voll funktionsfähigen Toilette sowie mit einem Regenwasserbecken verbunden. Das Abwasser kann einfach nach draußen geleitet werden.
Nach dem Umzug vom Flugzeugfriedhof in den Wald wurden die Fahrwerke der Maschine übergangsweise auf mehrere Stützen gestellt. Diese sollen allerdings einmal durch zwei richtige Betonpfeiler ersetzt werden.
Da sich Portland in einem Erdbebengebiet befindet, sollen die Betonpfeiler mit einer konkaven Aussparung versehen werden, durch die sich das Flugzeug bei einem Beben frei bewegen kann und nicht beschädigt wird. Das Fahrwerk bleibt vollständig erhalten und wird einfach auf den Stützen platziert.
In den Stützpfeilern wird eine Kette verankert, die an einem Stoßschutz aus Polymer an den Hauptstreben befestigt wird. So bleibt das Flugzeug sicher am Platz, aber dennoch beweglich. Ruckartige Bewegungen wie bei einem Erdbeben können der Maschine dann nichts anhaben.
Bruce betritt sein Flugzeughaus über die einklappbare Originaltreppe der Maschine. Ist er länger unterwegs, kann er den Eingang einfach einfahren und sein Heim ist gut gesichert.
Die Kabine der Boeing wurde kaum verändert und erinnert somit an die Luftfahrtvergangenheit des Hauses. Nicht nur die Originalfenster hat Bruce behalten, auch die Luftkanäle aus Titan und die Schweißnähte sind noch zu erkennen. Zudem hat der Elektroingenieur mehrere Flugzeugsitze in seine Einrichtung integriert. Die Leuchtstreifen an den Seiten wurden durch effizientere Glühlampen ersetzt.
Bruce hätte es respektlos gefunden, die Innenausstattung der Boeing großartig zu verändern. Design und Fertigung der 727 seien „erstklassig“ und hätten seinen vollen Respekt, sagt der Heimwerker. „Deshalb habe ich wo immer möglich fast alles erhalten.“
Eine Änderung, die Bruce jedoch vornahm, betraf den Boden. Um das Innenleben des Jets zur Schau zu stellen, verlegte der Elektroingenieur transparente Acrylplatten, durch die man in den Frachtraum und auf die Technik in der Maschine schauen kann. Das durchsichtige Material war noch von einem früheren Bauprojekt übrig geblieben.
Den hinteren Teil des Flugzeugs hat Bruce zu seinem Wohnbereich gemacht, in dem es sogar einen großen Schreibtisch zum Herumbasteln gibt – schließlich findet sich in einem Flugzeug immer etwas. Daran grenzen die Küche, das Bad und der Schlafbereich an.
Bruce schläft auf einem zusammenklappbaren Futonbett, das er tagsüber als Sofa benutzt – eine praktische Lösung, die Platz spart.
Es gibt eine kleine Küchenzeile, in der sich einfache Mahlzeiten mit einer Mikrowelle und einem Toaster zubereiten lassen. Ein Originalservierwagen dient zur Aufbewahrung von Konserven. In dem Küchenbereich gibt es zudem ein Spülbecken und eine Waschmaschine.
Das Cockpit ist für Luftfahrtfans natürlich das Highlight. Zwar wurden viele Knöpfe und Steuerungselemente nach der Außerdienststellung der Maschine entfernt, doch ist es Bruce gelungen, viel davon wieder zu beschaffen. Dabei setzte er alles so originalgetreu wie möglich wieder zusammen. Das Ergebnis kann sich absolut sehen lassen!
Nach dem Umbau seines Zuhauses, begann Bruce damit, neugierigen Besuchern sein Werk zu zeigen. Sein Projekt stieß auf großes Interesse und so führt der Heimwerker heute gerne durch seine umgebaute Maschine und wirbt für das Wohnen in einem Flugzeug. Die Touren des stolzen Eigentümers sind in zahlreichen YouTube-Videos festgehalten.
Bruce hat nur eine Regel für seine Gäste: Sie müssen ihre Schuhe am Eingang ausziehen und wie in Japan Pantoffeln tragen, bevor sie durch das Flugzeug laufen dürfen. Auf diese Weise hält Bruce sein Zuhause sauber und der Acrylboden bekommt keine Kratzer.
Bruce wirbt dafür, Flugzeuge wie die Boeing 727 als Notunterkünfte bei Umweltkatastrophen zu nutzen. Erdbeben- und Tsunamigebiete wie Japan könnten seiner Meinung nach davon profitieren und ausrangierte Maschinen zusätzlich als Wohnraum verwenden. Ebenso Länder, in denen Wohnungsnot herrsche.
Bruce hofft mit seinem Projekt, die Menschen ein Stück weit zum Umdenken zu bewegen. Anstatt ausgemusterte Fahrzeuge, an denen praktisch nichts auszusetzen ist, zu zerstören, können diese weiterverwendet werden und einem anderen Zweck dienen, meint er.
Der stolze Flugzeugbewohner veranstaltete vor der Corona-Pandemie sogar Live-Musik-Events auf einer der Tragflächen der Maschine. Im Rahmen des sogenannten „Concert on a Wing“ können Besucher normalerweise bei Musik, Essen und Trinken zusammen kommen und dabei auch noch das Flugzeughaus besichtigen und mehr über das besondere Wohngefühl erfahren.
Bruce teilt sein Wissen nicht nur mit Menschen, die sich ein ähnliches Zuhause schaffen möchten, sondern hat auf seiner Webseite auch Links zu ähnlichen Geschichten sowie zu Flugzeugversteigerungen zusammengestellt. Der Luftfahrtfan schätzt, dass sich eine Boeing 727 für umgerechnet nur 50.000 Euro in ein Zuhause verwandeln lässt. Ob ausrangierte Flugzeuge also ein Wohnprojekt mit Zukunft sind?
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