„Der Tod wird auf schnellen Schwingen zu demjenigen kommen, der die Ruhe des Pharaos stört“ – so etwa soll es auf der kleinen Tontafel gestanden haben, die Howard Carter und sein Team 1922 wohl vielleicht übersehen hatten. Rund 3.000 Jahre nach dem Tod Tutanchamuns öffnete der britische Archäologe die Grabstätte des ägyptischen Pharaos. Nur wenige Monate nach der Entdeckung der Ruhestätte gab es eine Reihe von mysteriösen Todesfällen unter den Expeditionsmitgliedern. War das Tutanchamuns Rache für die Ruhestörung?
Selbst 100 Jahre nach der spektakulären Graböffnung bleiben einige Fragen rund um die Ruhestätte des ägyptischen Kindskönigs offen. So auch die, ob sich Carter wirklich an den Grabbeigaben bereichert hat. Machen Sie mit uns eine Zeitreise zum Zeitpunkt der Entdeckung und erfahren Sie mehr über den sagenumwobenen Fluch des Pharao.
Es war der 4. November 1922 als ein kleiner Junge, der für Howard Carter (im Bild) arbeitete, im ägyptischen Tal der Könige auf einen Stein stieß. Der britische Archäologe war seit 1907 auf der Suche nach dem Grab von Tutanchamun. Und diese Expedition sollte eigentlich – aus finanziellen Gründen – seine letzte sein. Sein Mäzen und Auftraggeber Lord Carnarvon wollte nur noch eine Grabung fördern.
Doch das Schicksal meinte es gut mit ihnen. Denn bei näherer Betrachtung des Steins stieß Carter auf einen Beweis, dass das Sediment bedeutender war, als es schien...
Das kantige Gestein entpuppte sich als die oberste Stufe einer Treppe, die zu einem mit Lehm verputzten und mit Hieroglyphen versehenen Eingang führte. Zum ersten Mal seit rund 3.000 Jahren standen mit Carter und seinem Team wieder Menschen vor der Tür von Tutanchamuns Grab. Eigentlich hätte das Grab von einem Mitglied der ägyptischen Altertumsbehörde geöffnet werden müssen, aber Carter und Carnarvon, der extra dafür aus Europa angereist war, konnten der Versuchung, einen Blick ins Innere zu werfen, angeblich nicht widerstehen. Sie sollen durch die Tür in die goldgefüllte Grabvorkammer getreten sein, bevor die Beamten eintrafen. Und sollen nach neuesten Erkenntnissen sogar Schätze aus der letzten Ruhestätte des antiken Herrschers entwendet haben.
Wie der US-amerikanische Archäologe Bob Brier in seinem Buch „Tutankhamun and the Tomb that Changed the World“ schreibt, soll Carter dem Ägyptologen Sir Alan Gardiner ein ganz besonderes Amulett als Dank für einige Hieroglyphen-Übersetzungen geschenkt haben. Gardiner hatte das Amulett einem Experten gezeigt, der festgestellte, dass es mit Exemplaren aus dem Besitz von Tutanchamun übereinstimmte. In einem neu entdeckten Brief aus dem Jahr 1934 beschuldigte Gardiner daraufhin den Grabentdecker Carter, das Artefakt „zweifellos [gestohlen] zu haben“ und erklärte, er bedauere „zutiefst, in eine so unangenehme Lage geraten“ zu sein.
Das Bild zeigt Carter mit seinem Assistenten Arthur Callender am Grabeingang.
Mehr als 5.000 Gegenstände wurden aus dem Grab des Tutanchamun geborgen – mit einem geschätzten Gesamtwert von damals rund zwei Millionen Pfund-Sterling (heute fast 138,4 Millionen Euro).
Den Moment, als er die Ruhestätte des Pharao zum ersten Mal betrat, beschrieb Carter wie folgt: „Zuerst konnte ich nichts sehen, die heiße Luft, die aus der Kammer entwich, ließ die Kerzenflamme flackern. Als sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, tauchten langsam Details des Raumes im Inneren aus dem Nebel auf: seltsame Tiere, Statuen und Gold – überall der Glanz von Gold.“
Links: Originalfoto von Carters Fotograf Harry Burton. Rechts: Das Foto aus einer Ausstellung in Bratislava (Slowakei, 2014) zeigt die Artefakte so, wie Carter sie gesehen haben könnte.
Das Grab von König Tutanchamun war seit seinem Tod im Alter von 18 oder 19 Jahren im Jahr 1323 v. Chr. weitgehend unberührt. Und so waren viele Menschen der Ansicht, dass auch Carter die letzte Ruhestätte des Pharao nicht stören sollte.
Während der Archäologe die atemberaubenden Artefakte des Grabes katalogisierte, wurden die Gerüchte über einen „Fluch der Mumie“ dank der weltweiten Presse immer lauter. Und die Geschichten immer mysteriöser. So soll Carters Kanarienvogel am Tag der Graböffnung von einer Kobra verschlungen worden sein. Hatten die Archäologen wirklich ihr Leben für Ruhm, Reichtum und einen vergrabenen Schatz riskiert?
George Herbert, der 5. Earl of Carnarvon, war der Finanzier der Ausgrabungen und wird gern als das erste Opfer von Tutanchamuns angeblichem Fluch bezeichnet. Der Aristokrat war dank seiner Heirat mit Almina Wombwell – angeblich ein uneheliches Kind von Alfred de Rothschild – ausgesprochen wohlhabend. Der britische Kunstmäzen schenkte dem Paar zur Vermählung 500.000 Pfund – was heute umgerechnet über 80 Millionen Euro entspräche.
Lord und Lady Carnarvon lebten im Herrenhaus Highclere Castle im englischen Hampshire – heute vor allem als Drehort der Erfolgsserie „Downton Abbey“ bekannt. Jahrelang galt Lord Carnarvons Hauptinteresse dem Pferderennen. Doch ein schwerer Autounfall im Jahr 1903 veränderte sein Leben – und wohl auch den Lauf der Geschichte.
Angesichts seiner langsamen Genesung riet ihm der Arzt, die kalten Wintermonate in Ägypten zu verbringen. Dort entdeckte er seine Begeisterung für Ägyptologie und lernte Howard Carter kennen, dessen archäologische Ausgrabungen er fortan finanziell unterstützte. Ihr gemeinsames Buch „Five Years' Exploration at Thebes“ erschien im Jahr 1912.
Die Begeisterung war groß, als Lord Carnavon (im Bild mit Carter (r.) und Carnarvons Tochter Lady Evelyn) den langersehnten Anruf über den Fund der Grabkammer erhielt. Am 23. November 1922 reiste er in Luxor an, um das über 3.000 Jahre alte Grab von König Tutanchamun mit eigenen Augen zu sehen. Fünf Monate später war Lord Carnarvon tot.
Ein Mückenstich in seinem Gesicht hatte sich infiziert, was zu einer Blutvergiftung führte. Außerdem entwickelte Lord Carnarvon eine Lungenentzündung. Während ein schwaches Immunsystem für viele die plausiblere Erklärung als Todesursache war, glaubten andere an unheimlichere Kräfte. Wie zum Beispiel der „Sherlock Holmes“-Autor Arthur Conan Doyle, der in der Presse den „Fluch des Pharao“ für den Tod Carnavons verantwortlich gemacht haben soll.
Ein Mythos war geboren – angeheizt durch Gerüchte, dass Tutanchamuns Gesicht an genau derselben Stelle eine Narbe aufweist, an der Lord Carnavon von der Mücke gestochen wurde.
Über den bedeutenden Radiologen, der Tutanchamun nach seiner Bergung aus dem Grab als erster röntgte, ist nur wenig bekannt. Archibald Douglas Reid gehörte zwar nicht zu Carters Archäologenteam. Für diejenigen aber, die an den „Fluch der Mumie“ glauben, hatte auch er die Ruhe des Pharaos eindeutig gestört. Womit sein Tod verdächtig wurde.
Nur 24 Stunden, nachdem er im Januar 1924 die Mumie untersucht hatte, wurde Reid von einer mysteriösen Krankheit heimgesucht. Er starb drei Tage später.
Reid soll seit Längerem an einer Radiodermatitis gelitten haben. Eine Hautkrankheit, die auftritt, wenn ein Mensch für längere Zeit ionisierender Strahlung ausgesetzt wird. Damals war diese Krankheit noch nicht bekannt.
Doch schnell kam das Gerücht auf, dass auch er ein Opfer des Fluchs von König Tut war. Und noch heute kursieren mehrere Versionen zu Reids Todesumständen. Das Bild zeigt das Ägyptische Museum in Kairo, in dem Reid arbeitete.
Eine weitere Tragödie ereignete sich 1924, als sich Hugh Evelyn-White aus Carters Archäologenteam das Leben nahm. Der Sohn des renommierten Antiquars Charles Harold Evelyn-White hatte sein Studium der Klassischen Philologie 1907 abgeschlossen und war nach Ägypten gezogen. Dort arbeitete er für das Metropolitan Museum of Art in New York (hier im Jahr 1930) an den Ausgrabungen mit.
Während seiner Zeit in Ägypten, die kurz durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde, schrieb Evelyn-White mehrere Bücher über seine Arbeit, unter anderem über die Erforschung des Hibis-Tempels in der Oase Kharga (im Bild).
1922 schloss sich der Ägyptologe Carters Tutanchamun-Mission an. Nur zwei Jahre später wurde er als angeblich drittes Opfer vom „Fluch des Pharao“ heimgesucht.
Nach seiner Rückkehr aus Ägypten arbeitete Evelyn-White als Dozent an der Universität von Leeds. Er soll das einzige Mitglied von Carters Team gewesen sein, das die Möglichkeit eines antiken Fluchs anerkannte. Für einige war sein Tod der vermeintliche Beweis für den „Fluch des Tutanchamun“. Schließlich war Evelyn-White einer der ersten, die die Grabkammer des ägyptischen Herrschers betreten hatten.
In Wirklichkeit soll sein Tod wahrscheinlicher mit einer Frau in Zusammenhang stehen, die wohl eher unerwidert in ihn verliebt war und für deren Tod er sich verantwortlich fühlte.
An dem Tag, an dem Arthur Mace vom Tod Lord Carnarvons erfuhr, schrieb der britische Archäologe aus Carters Team das Folgende in sein Tagebuch: „Nachricht über Carnarvons Tod kam. Habe mit der Arbeit an der großen weißen Truhe begonnen. Es ist rätselhaft, warum ein Teil des Leinens verdirbt, während ein anderer dies nicht tut. Muss eine Frage der ursprünglichen Qualität der Fadenarbeit sein.“
Der Tod des Kollegen mag ihn nicht übermäßig beunruhigt haben, aber fünf Jahre später starb auch Mace. Und zählt somit zu den vermeintlichen „Fluch des Pharao“-Opfern.
Mace wurde 1874 im australischen Tasmanien geboren. Nach seinem Studium an der Universität Oxford in England begann Mace in den späten 1890er-Jahren als Archäologe zu arbeiten. Für das Metropolitan Museum of Art in New York begann er nach dem Ersten Weltkrieg mit der Restaurierung ägyptischer Artefakte.
Im Jahr 1922 wurde Mace stellvertretender Kurator der Ägypten-Abteilung und als solcher vom Metropolitan Museum of Art an Howard Carter ausgeliehen. Mace sollte bei der Klassifizierung der im Grab von König Tutanchamun gefundenen Schätze helfen. Berichten zufolge sollen beide Tutanchamuns Mumie entkleidet haben. Gemeinsam schrieben sie ein Buch über ihre Entdeckungen mit dem Titel „The Tomb of Tut Ankh Amen“.
Nach zwei Jahren verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Mace so stark, dass Howards rechte Hand Ägypten im März 1924 verlassen musste. Am 6. April 1928, fünf Jahre und einen Tag nach dem Tod von Lord Carnarvon, verstarb Mace in einem Pflegeheim – im Alter von nur 53 Jahren.
Sein früher Tod sorgte für Spekulationen darüber, ob auch ihn der „Fluch des Pharao“ wegen seiner Ausgrabungsbeteiligung heimgesucht hatte. Und während einige vermuten, er sei langsam an einer Arsenvergiftung gestorben, behaupten andere, dass Mace selbst (im Bild ganz links) glaubte, er habe bei den Arbeiten zu viel Sand und Staub geschluckt. Seine Frau Winifred war offenbar so verzweifelt über seinen Tod, dass sie sich weigerte, über Maces archäologische Arbeit zu sprechen. Seine Aufzeichnungen sollen jahrelang unberührt in einer Kiste auf dem Dachboden verbannt gewesen sein.
Im Gegensatz zu den anderen Personen auf dieser Liste hat der Zeitungsredakteur Bruce Ingram nie das Grab des Tutanchamun betreten. Aber anscheinend reichte allein die Freundschaft zu Howard Carter aus, um den Zorn des legendären ägyptischen Königs auf sich zu ziehen.
In den späten 1920er-Jahren soll Ingram von Carter eine mumifizierte Hand geschenkt bekommen haben, die gleichzeitig als Briefbeschwerer diente. Als wäre das nicht schon grauselig genug, trug die Hand auch noch einen Armreif mit der Warnung: „Verflucht sei der, der meinen Körper berührt. Zu ihm werden Feuer, Wasser und Pest kommen.“
Einige Stimmen behaupten, der Armreif habe große Ähnlichkeit mit dem Skarabäus-Armband (im Bild) gehabt, das Carter aus dem Grab des Tutanchamun entnahm.
Wie dem auch sei. Kurz darauf jedenfalls wurde das Haus von Ingram durch einen mysteriösen Brand zerstört und während des Wiederaufbaus von einer Überschwemmung heimgesucht. Ingram selbst verstarb friedlich viele Jahre danach – im Alter von 85 Jahren.
Richard Bethell arbeitete als Privatsekretär von Howard Carter und wurde 1920 Mitglied des Komitees der „Egypt Exploration Society“-Stiftung. Auch er half bei der Freilegung von Tutanchamuns Grab.
Nach Carter soll Bethell als zweite Person die letzte Ruhestätte des Pharao betreten haben – was allerdings nicht den angeblichen Einbruch von Carter und Carnarvon in der Nacht vor der offiziellen Tür-Öffnung berücksichtigt.
Bethell mag zwar einer der ersten gewesen sein, die die letzte Ruhestätte des Pharao betraten, aber er war eines der letzten Teammitglieder, die unter verdächtigen Umständen starben.
Am 15. November 1929 – rund sieben Jahre nach der Entdeckung des Grabes – wurde der damals 35-Jährige tot aufgefunden. Nicht ganz klar ist, ob er in seinem Schlafzimmer oder im Gentlemen's Bath Club in London entdeckt wurde. Auch die genaue Todesursache ist nicht bekannt. So ist etwa von Kreislaufversagen die Rede und auch über Ersticken ist zu lesen.
Das ist aber nicht das Ende der Tragödie. Denn nur drei Monate später sprang Bethells Vater, der 3. Baron Westbury, in London aus einem Fenster. Berichten zufolge schrieb er in seinem letzten Brief: „Ich kann wirklich keine weiteren Schrecken mehr ertragen und sehe kaum, was ich hier noch Gutes tun kann, also mache ich mich aus dem Staub.“
Die Presse schrieb damals beide Todesfälle dem alten Fluch zu. So vermutete die Zeitung „Nottingham Evening Post“, dass eine Reihe mysteriöser Brände in Bethells Herrenhaus im Jahr 1928 womöglich mit dem alten Fluch zu tun habe. Dort sollen nämlich einige der unbezahlbaren Gegenstände aus dem Grab von Tutanchamun aufbewahrt gewesen sein. Mitterlweile gibt es aber andere Theorien zu Bethells Tod. Ein Historiker vermutet, dass der berüchtigte Satanist Aleister Crowley (im Bild) Bethell im Londoner Gentlemen's Bath Club ermordet haben könnte.
Bis 1930 waren fünf Mitglieder von Howard Carters Archäologenteam bereits tot. Im Laufe der Jahre kamen laut Zeitungsberichten etwa 15 weitere potenzielle Opfer des Fluchs hinzu – von Ägyptologenkollegen bis hin zu Freunden und Familienangehörigen all derjenigen, die das Grab entdeckt hatten. Ein Mann jedoch, der scheinbar ungeschoren davon kam, war Howard Carter selbst. Dies ist besonders überraschend, wenn er – wie Alan Gardiner vermutete – tatsächlich vor der offiziellen Graböffnung Schätze gestohlen hatte.
Nachdem er ein Jahrzehnt damit verbracht hatte, die Grabbeigaben zu klassifizieren, ging Carter 1932 in den Ruhestand. Sieben Jahre später starb er im Alter von 64 Jahren eines natürlichen Todes und wurde auf dem Friedhof Putney Vale Cemetery in London beigesetzt (im Bild).
Berichten zufolge hinterließ Carter damals einen Nachlass im Wert von 2.000 Pfund – was heute umgerechnet fast 160.000 Euro entspricht. Das Ende seiner Geschichte ist jedoch nicht ganz glücklich. Laut seinem Nachruf in der Zeitung „The Guardian“ war der Name Howard Carter dank seiner Entdeckung des Grabes von Tutanchamun weltweit zu einem Begriff geworden. Zu seiner Beerdigung erschienen allerdings nur neun Menschen.
Übrigens soll die Inschrift auf Tutanchamuns Grab richtig übersetzt gar nichts mit den Schwingen des Todes zu tun haben, sondern wie folgt lauten: „Ich verhindere, dass Sand die geheime Grabkammer füllt. Ich bin zum Schutz der Toten da.“ Nach Fluch klingen diese Worte allerdings nicht.
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